Kindermund zu Ewigkeiten und Mesokosmos

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Heute morgen schenkte mir mein Sohn – 5 Jahre – ein glückliches Schmunzeln und eine kleine, nachdenkenswerte Weisheit. Er wirkt derzeit begeistert im (hervorragenden & katholischen) Kinderhaus an einem Weltraum-Projekt mit, erzählte von einem Steinzeit-Projekt der Kinderhaus-Schulkinder und hat bei alldem irgendwie ein Faible für Größenordnungen entwickelt. Und als wir heute morgen dorthin schlenderten, hatte er eine Frage…

Er: Papa… Sag mal, die Dinosaurier gab es doch viel länger als uns, gell!?

Ich: Ja, das stimmt. Die Dinosaurier haben über Hundert Millionen Jahre gelebt, uns moderne Menschen gibt es erst etwa 200.000 Jahre, also viel weniger als eine Million Jahre.

Er: Ja, schon, Papa. Ich weiß das. Aber ich kann es mir nicht vorstellen. Weil – ich bin doch schon so lange da!

Was hätte ich da noch sagen sollen? Ich habe ihn einfach mal für seine Neugier gelobt und bei der Busfahrt zur Arbeit lange über unsere Vorstellungswelten nachgedacht.

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

14 Kommentare

  1. @Sören

    Ja, diese “Nebenwirkung” aus einem Leben mit Kindern kann ich bestätigen! 😉

    Wobei wir uns da wohl keine Illusionen machen dürfen: Mit der Lebensspanne der Dinos werden wir es individuell wohl kaum aufnehmen – und ob wir es als Spezies schaffen, ist wohl auch etwas fraglich…

  2. Kinderzeit

    Kinder haben noch ein anderes Zeitempfinden als Erwachsene. Jeder Tag scheint für sie unendlich lang zu sein, da sie ständig Neues entdecken und unbekannte Eindrücke verarbeiten müssen. Die einzelnen Momente werden noch sehr intensiv wahrgenommen und erfordern eine hohe Präsenz. Erst mit dem Älterwerden schleicht sich Routine ein und dadurch kommt es einem so vor, als ob die Zeit schneller vergehen würde. Man fühlt sich dann oft selbst wie ein Dinosaurier 🙂

  3. @Mona: Zeitempfinden

    Ja, das sehe ich auch so. Wobei mich der Gedanke fasziniert hat, dass aus der Sicht eines Kindes auch schon fünf Jahre “fast ewig” sein können. Denn “die Zeit” hat da ja in der Erfahrungswelt begonnen und wir ertasten das interessante Faktum, dass es Zeit davor gab und danach geben wird, erst mit dem Heranwachsen.

  4. Tücken der Technik

    Da machte die Chronologs-Technik nicht mit, zeigte mehrmals “Fehler” an und veröffentlichte dann plötzlich doch alle Versuche. Bitte 18:55 bis 19:02 löschen. Danke.

  5. Machen wir Großen uns doch nicht vor, wir könnten uns “hundert Millionen Jahre” vorstellen. Vielleicht kann man auf Anhieb sagen, was man vor etwa sechzig Jahren erlebt hat. Mancher kann erzählen, wie es ist, hundert Jahre zu leben. Mit viel Phantasie kann ich versuchen, mir das Leben vor tausend, zweitausend, ja fünftausend Jahren vorzustellen. Aber eine so unfaßbar lange Zeitspanne wie die lumpigen 200.000 Jahre Menschheitsgeschichte kann man sich nicht vorstellen, viel weniger auch nur eine einzige Million Jahre.

  6. @Claudia: Ja!

    Da stimme ich auf jeden Fall zu! In der Evolutionsforschung hat sich dabei die Begriffstrias von Mikro-, Meso- und Makrokosmos herausgebildet.

    Mit Mesokosmos ist dabei der Ausschnitt aus Zeit- und Größenmaßen gemeint, auf den hin der jeweilige (z.B. menschliche) Erkenntnisapparat evolviert ist. Hier funktionieren unsere Vorstellungen weidlich gut.

    In kleineren Bereichen (wie z.B. Atomen und Quanten) spricht man vom Mikrokosmos, der sich unserer Wahrnehmung entzieht und oft nur in Symbolen zugänglich gemacht werden kann. Und auch von größeren Bereichen – dem Makrokosmos – können wir zwar in Symbolen sprechen, die Dimensionen aber kaum verstehen. Auch wir sind halt Kinder des Evolutionsprozesses, der uns für bestimmte Nischen fit gemacht und andere eher verborgen hat. 🙂

  7. Zeitempfinden in unterschiedlichen Lebensphasen

    @Mona:

    Das gilt nicht nur für Kinder, sondern auch nur für Jugendliche und (eingeschränkt) für junge Erwachsene… wenn ich alleine daran denke, wie lang und intensiv mir die zwei Jahre von meinem 14. bis zum 16. Geburtstag vorkamen (ich führte damals eine Art Tagebuch, allerdings rückblickend aus jeweils einigen Monaten Abstand) und sie z. B. mit den zwei Jahren zwischen meinem 39. und 41. Geburtstag vergleiche, drängt sich mir der Eindruck auf, dass die Zeit subjektiv mit zunehmendem Alter immer schneller vergeht…

    Es hat vor vielleicht zehn Jahren einmal eine Studie zum subjektiven Zeitempfinden gegeben, mit dem Ergebnis, dass Menschen unabhängig von ihrem tatsächlichen Alter im Durchschnitt ihr 18. Lebensjahr als die gefühlte “Mitte” ihrer erlebten Zeit empfinden…

  8. Zeitempfinden @Yadgar

    Alle Menschen haben das Empfinden, “dass die Zeit subjektiv mit zunehmendem Alter immer schneller vergeht…”. Anscheinend muss man nach seiner gefühlten Lebensmitte die Alltagsroutine ein bisschen ausbremsen. Wie ich oben schon schrieb, schleicht sich mit dem Älterwerden Routine ein und dadurch kommt es einem so vor, als ob die Zeit schneller vergehen würde. Ich las einmal man könne die gefühlte Zeit wieder verlängern, indem man neue und ungewohnte Dinge in sein Leben integriere, wie Reisen zu unbekannten Orten etc., denn diese Erlebnisse bleiben stärker im Gedächtnis haften, als immer gleiche Tage.

  9. vergeht die Zeit mit zunehmendem Alter schneller?

    Vermutlich ist die Erklärung zutreffend, dass die Zeit umso schneller zu vergehen scheint, je weniger Neues man erlebt. Mit folgendem (recht groben) Ansatz kann man den Effekt auch mathematisch erklären. Für einen 10-jährigen umfasst ein Jahr 10% seines Lebensalters. Für einen 50-jährigen umfasst es nur 2% – also viel kürzer.

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