Denkanstöße – Der Philomat und das Spielerische an Philosophie

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Im letzten Blogpost hatte ich dafür plädiert, dass Wissenschaft sich nicht nur über trockene Fachtexte, sondern auch über Literatur und Gedichte, Film und Musik, Kunst und Kultur an die Menschen wenden sollte. Das Philosophen-Trio Wolfgang Buschlinger, Bettina Conradi und Hannes Rusch fanden, dass man auch Philosophie spielerisch erfassen sollte – und veröffentlichten den Philomat.

Der Titel kommt in der richtigen Mischung aus begrifflicher Bombastik und sanfter Selbstironie daher: "Philomat / Apparat für weltanschauliche Diagnostik. Erkunden Sie Ihre Philosophie im Selbsttest!" Er knüpft damit augenzwinkernd an zwei Vorlieben unserer alternden Gesellschaft an – sich diagnostisch untersuchen zu lassen und das eigene Urteil zum Maßstab zu machen.

Wer allerdings öde Multiple-Choice-Fragen auf seichtem Niveau erwartet, wird hier nicht fündig werden. Orientiert an den vier Grundfragen Kants ("Was soll ich tun?", "Was darf ich hoffen?", "Was kann ich wissen?", "Was ist der Mensch?") werden auch sperrige Themen wie Töten, Lügen und Freiheit in Frageform übersetzt. Wenn Sie Kinder dabei beobachten, die zum Spaß Mäuse töten – was denken und tun Sie? Wenn Sie als einziger Astronom wüßten, dass ein Meteor in wenigen Tagen das Leben auf der Erde vernichten würde – was würden Sie tun? Was halten Sie von einer Person, von der gesagt wird, sie treffe Entscheidungen "aus dem Bauch heraus"?

Zu jeder der Fragen gibt es verschiedene Antworten, die dann wiederum zu Punkteverschiebungen auf einem kleinen, mitgelieferten "Spielfeld" führen. Erstaunlicherweise gelang es den Autoren dabei, Antwortvorschläge zu entwerfen, in denen sich auch unterschiedlichste Positionen wiederfinden. Sehr selten hatte ich Schwierigkeiten, mich für eine Antwort zu entscheiden – und nie fand ich mich überhaupt nicht wieder. Man ahnt hier die Mühen, die sich das Autorentrio beim Entwurf und Testen von Fragen und Antworten gemacht haben.

Der Ertrag: Thema für Thema kommt der Anwender so zu Einordnungen Ihrer Haltung im philosophischen Fachjargon – das Sie dank eines guten Glossars und einer Literaturliste auch nachschlagen können. Trockene Begriffe erhalten durch den persönlichen Bezug so neue Relevanz – und da die Erklärungen überwiegend verständlich geschrieben und gelungen sind, ertappt man sich schnell beim Schmökern.

Ist das spielerisch? Ja – wenn man auch Konzentration und Gedankenarbeit als Spiel gelten lassen kann. Der Philomat ist keine leichte Kost, sondern nimmt sein Thema und letztlich auch seine Leser (Anwender? Mitspieler?) damit ernst. Und Denk- und Lerneffekte sind auf jeden Fall dabei! Toll, dass es Philosophen und Verlage gibt, die auch bereit sind, neue Wege auszuprobieren!

* Zur Philomat-Homepage

 

 

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

7 Kommentare

  1. interessant

    ich habe den Testlauf gemacht .. das Ergebnis schien ganz gut zu dem zu passen, was ich von mir denk. 😉

  2. @Sascha B.

    Freut mich! Das Bloggewitter will ja gerade auch “Denkanstöße” geben! Und wenn es zur Belebung des deutschsprachigen Sachbuchmarktes beitrüge, wäre ich natürlich glücklich darüber! Zumal neuere Erkenntnisse der Geschichtsforschung darauf hindeuten, dass Deutschland dank vieler Bücher erblühte: 🙂
    http://www.netzpolitik.org/…angels-urheberrecht/

  3. Begeistert

    Ich hab auch den Testlauf gemacht und war so begeistert, dass ich gleich zwei Exemplare bestellt habe – eins für mich und eins für meinen momentanen Gastgeber.
    An einigen Stellen des Testlaufs viel mir die Entscheidung recht leicht, an anderen aber habe ich mich dabei ertappt, doch abzuwägen und zu schwanken. Man ist also gut beraten, seine Positionen genau zu hinterfragen und zu überprüfen.

  4. Wow!

    @Sascha B. und @Ralph Würfel, das sind ja mal ermutigende Rückmeldungen! Und Taten! Bloggen kann also tatsächlich ein Weg sein, auch spannendere Bücher abseits des Werbe-Mainstreams etwas bekannter zu machen. Super, danke – das freut mich für den Philomaten!

    (Und, falls sich jemand fragt: Nein, ich bekomme keinen Cent aus dem Verkauf von Büchern über den Blog. Ich mache das einfach so und gerne. Und freue mich aber natürlich, falls jemand auch das Buch von Rüdiger Vaas und mir “Gott, Gene und Gehirn” entdeckt! 🙂 )
    http://www.chronologs.de/…shop.de/artikel/969531

    Herzliche Grüße an alle Bücherwürmer, die Welt braucht eine lebendige Wissen(schaft)sbuchlandschaft! 🙂

  5. Das klingt wirklich sehr spannend

    Vor allem ist das mal ein neuer Ansatz, solche Themen zu vermitteln. Ich glaube ich werde mir das Ding auch besorgen. Eine Rezension, die auf jeden Fall neugierig macht.

  6. aktuell

    Im GEO 09/2010, Seite 26 ist ein Kurzbericht ´Die Kuschelkissen-Ehe´: wonach ein Geistlicher eine Zeremonie geleitet und gesegnet hat, bei der ein Koreaner ein Kissen geheiratet hat.

    Das ist doch was für Sie Herr Blume: eine Familie wurde gegründet, auf religiöser Basis, …
    Da stellt sich auch noch die persönlche Frage: Als Sie heute Nacht ein Kopfkissen benutzten – sind sie da ´fremdgegangen´. Fragen über Fragen. :-)))

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