Der Apfel – Direkt vom Paradies an den Weihnachtsbaum?

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Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Gerade erst hatte ich einen Blogpost über die evolutionäre Bedeutung des Kochens veröffentlicht, da stellten Sven Oswald und Daniel Finger von “Zwei auf eins” auf RBBeins auch für diesen Sonntag eine knifflige Frage zur wohl berühmtesten Rohkost der Religionsgeschichte: Dem Apfel! Warum eigentlich schmückt der Apfel als Weihnachtsapfel den Weihnachtsbaum?

Ja, Ihre Grundannahme ist richtig: Auch der Weihnachtsapfel stammt aus der biblischen Paradiesgeschichte, laut Genesis 3. Eva reichte Adam eine (zuvor von Gott verbotene) Frucht, der biss davon – und der Mensch wurde aus dem Paradies vertrieben. Da die Geburt Jesus die Hoffnung auf das Paradies wiedergab, verknüpften Christen diese Geschichte mit dem Weihnachtsfest und konnten so auch vorchristliche Traditionen integrieren, wonach zur Wintersonnenwende (immer-)grüne Pflanzen den Sieg des Lebens symbolisierten: Die bislang ältesten, urkundlichen Erwähnungen von äpfel-geschmückten “Paradiesbäumen” zum Weihnachtsfest haben wir aus dem 15. Jahrhundert in Freiburg und dem 16. Jahrhundert im Elsaß. Und auch die Kunst aus jener Zeit hatte sich da bereits auf den Apfel festgelegt, wie das berühmte Bild “Adam & Eva” von Lucas Cranach dem Älteren von 1533 darstellt.

Erst sehr viel später wurden die Äpfel am Weihnachtsbaum durch Orangen und Christbaumkugeln ergänzt und teilweise ersetzt. Bis heute aber blieben sie als Speise (Weihnachts- und Bratäpfel, glasierte und überzuckerte Äpfel etc.) in den kulturellen Traditionen rund um Weihnachten lebendig. 

Aber warum ausgerechnet Äpfel?

Die Bibel – und übrigens auch der Koran – sprechen jeweils gar nicht von einem “Apfel” – hier ist jeweils nur von einer “Frucht” die Rede. In der jüdischen – und weiten Teilen der islamischen – Tradition stellte man sich als Paradiesfrucht also durchaus Weizen, Trauben, Feigen oder Zitronen vor.

Doch das frühe Christentum entschied sich für den Apfel. Schon die Griechen hatten den Apfel aufgrund von Aussehen und Geschmack als lebensspendende und sinnliche Frucht beschrieben – die Erdmutter Gaia lässt anläßlich der Ehe von Zeus und Hera einen Apfelbaum sprießen, dessen Früchte ewiges Leben verheißen, von einem Drachen bewacht und später dennoch von Herakles geraubt werden. Und Eris, die Göttin der Zwietracht, löst den Trojanischen Krieg aus, indem sie einen goldenen Apfel zwischen drei Göttinnen wirft, die Paris – den Prinzen von Troja – damit beauftragen, ihn der Schönsten von ihnen zu überreichen. Er erwählt die Liebesgöttin Aphrodite, damit den Apfel mit Erotik verbindend – und Hera und Athene erzürnend…

Hinzu kam, dass eine lateinische Übersetzung des Apfels – malum – zugleich der Begriff für “Böses” war. Und schließlich war der Apfel auch noch die dominierende Baumfrucht nördlich der Alpen und wurde auch dort schon in vielen vorchristlichen Mythen erzählt, bis hin zu Avalon, dem (keltischen) Apfelgarten. Bis heute merkt man engagierten Gärtnerinnen und Gärtnern die Freude an dieser besonderen Frucht an. Hier eine Präsentation des Weihnachtsapfels “Paradies Myra”:

Und – war die Paradiesfrucht ein Apfel?

Freilich, auch in der christlichen Tradition hielten sich Zweifel an der Sache mit dem Apfel, die unter anderem der Pfarrersohn, Theologe und Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing 1771 in seinem humorvollen Gedicht “Paradies” thematisierte: 

Sein Glück für einen Apfel geben,
O Adam, welche Lüsternheit!
Statt deiner hätt ich sollen leben,
So wär das Paradies noch heut.–

Wie aber, wenn alsdann die Traube
Die Probefrucht gewesen wär?
Wie da, mein Freund?–Ei nun, ich glaube–
Das Paradies wär auch nicht mehr.

Und – womöglich hatte Lessing in der Frage sogar mehr Recht, als er ahnen konnte…

Denn immer mehr heutige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten es für wahrscheinlich, dass sich hinter der Paradiesgeschichte die Erinnerung an einen grundlegenden Umsturz verbirgt – den Übergang zum Ackerbau, die Neolithische Revolution. Dafür spricht nicht nur die geografische Lage im “Fruchtbaren Halbmond”, in dem sich dieser Übergang vollzog und mitten in dem die Bibel den Paradiesgarten verortet. Dafür spricht auch das Narrativ: Die Frau (bis dahin: Sammlerin) reicht dem Mann die (bislang verbotene) Frucht, wodurch sich statt des stärker egalitären Wildbeuterdaseins mühsame Arbeit, Patriarchat und die Notwendigkeit vieler Kinder (vor allem Söhne) durchzusetzen beginnen. In den Worten der Bibel:

16 Zur Frau sprach er: Viel Mühsal bereite ich dir, sooft du schwanger wirst. Unter Schmerzen gebierst du Kinder. Du hast Verlangen nach deinem Mann; er aber wird über dich herrschen.
17 Zu Adam sprach er: Weil du auf deine Frau gehört und von dem Baum gegessen hast, von dem zu essen ich dir verboten hatte: So ist verflucht der Ackerboden deinetwegen. Unter Mühsal wirst du von ihm essen alle Tage deines Lebens.
18 Dornen und Disteln lässt er dir wachsen und die Pflanzen des Feldes musst du essen.
19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du zurückkehrst zum Ackerboden; von ihm bist du ja genommen. Denn Staub bist du, zum Staub musst du zurück.
 
Und um das Ganze nochmal abschließend klar zu stellen, wird der Rückweg ins Paradies verschlossen (übrigens mit einem Feuerengel, einem früheren Zweiaufeins-Thema):
23 Gott, der Herr, schickte ihn aus dem Garten von Eden weg, damit er den Ackerboden bestellte, von dem er genommen war.
24 Er vertrieb den Menschen und stellte östlich des Gartens von Eden die Kerubim auf und das lodernde Flammenschwert, damit sie den Weg zum Baum des Lebens bewachten.

Die Annahme wird sogar noch schlüssiger, wenn wir uns vor Augen führen, dass die Landbewirtschaftung am Anfang buchstäblich kein Zuckerschlecken und schon gar kein Fortschritt war: Es fehlte an weiter gezüchteten Nutzpflanzen, Nutztieren und Erfahrungen, die Ernten waren oft spärlich, Hunger und Not drohten und im Gegensatz zu Wildbeutern und deren Ethiken des Teilens galt es nun, Land und Vorräte gegen gierige Nachbarn zu verteidigen. Warum hatten die Menschen nach Jahrhunderttausenden diesen Schritt schließlich unternommen, der sich erst nach Jahrtausenden in nachhaltig steigenden Lebenserwartungen auszahlen sollte (übrigens nicht nur im Fruchtbaren Halbmond, sondern unabhängig davon auch z.B. in China oder Südamerika – je mit vergleichbaren, kriegerisch-patriarchalen Resultaten)?

Eine Reihe von Wissenschaftlern vertritt inzwischen die Auffassung, dass nicht Nahrungspflanzen am Anfang der Entwicklung standen, sondern Gewächse wie Trauben oder Hopfen, aus denen sich Alkohol gewinnen ließ. Auch in der biblisch-apokryphen und (auch) sexuell selbstbewussten Lilith, die vor Eva Adams Gefährtin gewesen sein soll, mag eine Erinnerung an eine vor-patriarchale Zeit durchschimmern. Wie der Münchener Evolutionsbiologe Josef Reichholf in “Warum die Menschen sesshaft wurden” mit guten Argumenten (aber auch noch Lücken) annimmt, hätte die zunehmende Sehnsucht nach solchen “Früchten der Erkenntnis” und das Brechen entsprechender Tabus tatsächlich den Übergang in neue Wirtschafts- und schließlich Gesellschaftsformen einleiten können – erinnert auch als schmerzlicher Abschied aus dem “Paradies” unserer Vorgeschichte

Dass heute neben dem Weihnachtsapfel oft auch ein guter Tropfen zum Weihnachtsfest genossen wird, könnte also in der Tat einen mythologischen Kreis schließen. Möge es Ihnen munden und zu Momenten der Besinnung gereichen!

Das Interview rund um die Geheimnisse des Apfels…

…können Sie hier hören oder abrufen.

RBBeins_Apfel_Weihnachten.MP3

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

63 Kommentare

  1. “Denn immer mehr heutige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten es für wahrscheinlich, dass sich hinter der Paradiesgeschichte die Erinnerung an einen grundlegenden Umsturz verbirgt – den Übergang zum Ackerbau, die Neolithische Revolution.”

    *gähn*

    Da halte ich es doch lieber mit Goethe:

    Faust (mit der Jungen tanzend).
    Einst hatt’ ich einen schönen Traum;
    Da sah ich einen Apfelbaum,
    Zwei schöne Äpfel glänzten dran,
    Sie reizten mich, ich stieg hinan.

    Die Schöne.
    Der Äpfelchen begehrt ihr sehr,
    Und schon vom Paradiese her.
    Von Freuden fühl’ ich mich bewegt,
    Dass auch mein Garten solche trägt.

    Mephistopheles (mit der Alten).
    Einst hatt’ ich einen wüsten Traum;
    Da sah ich einen gespaltnen Baum,
    Der hatt’ ein – – –;
    So – es war, gefiel mir’s doch.

    Man muß sich doch mal überlegen, was da für eine Beziehungskiste abläuft: Sie klagen sich vor ihrem Gotte an, schämen sich ihrer Nacktheit… Wie man da auf den Mumpitz von Landwirtschaft kommen kann, ist mir ein Rätsel! Liebe vs. Begehren -offenbar durch Film und Fernsehen völlig verdraängt. Eine teure Frau steckte mir diesen Satz heute Abend: Sex ist nur dann gut, wenn du die Seele dabei küßt!

  2. @Dietmar Hilsebein

    Just als Sie den Satz zitierten, ergänzte ich ihn durch einen Link:
    http://www.spiegel.de/…gel/print/d-47134822.html

    Dass mit “Liebe und Begehren” habe ich dagegen nicht verstanden. Warum sollte Gott eine Höchstrafe verhängt haben, wenn die beiden nur Seinem Gebot (“Seid fruchtbar und mehret euch”) einfallsreich gefolgt wären? In diesem Bereich lassen sich doch gerade auch Wildbeuterkulturen kaum als rückständig oder verklemmt beschreiben. Erst in der Agrargesellschaft wird die Sexualität so reglementiert, dass die Revolte dagegen wieder aufregend wird.

  3. @ Blume

    Ich verstehe es einfach nicht. Ich bin geradezu völlig blockiert. Die ganze Bibel trägt die Beziehung der Menschen untereinander in sich und weist auf die Beziehung zu einem Gotte hin, der nicht erkennbar ist. Das alles hat mit den äußeren Erscheinungen nichts, aber auch gar nichts zu tun. Landwirtschaft? Oh Gott…Jetzt kommt wohl noch der Urknall…Die Sechstagewoche…Mumpitz. Das alles wird doch der Bibel nicht gerecht! Hier geht es um innere Seelenzustände. Man muß Künstler sein, um dies begreifen zu können.

    Sie fragen mich nach Liebe vs. Begehren. Da geht es nicht um Strafe, Sünde, Schuld. Man kann doch Botschaften auf dem Sach-Appell-Beziehungs-oder Offenbarungsohr hören. Du wirst sterben -an deinen inneren Konflikten. Ich sehe das nicht als Strafe, sondern als eine auf der Sachebene formulierte Äußerung! Die Bewältigung des inneren Konfliktes ist die Aufgabe des Menschen -seit es ihn gibt!

  4. @Dietmar Hilsebein

    Nun, auch wenn es Sie vielleicht überrascht – da kann und mag ich Ihnen gar nicht widersprechen. Denn mir scheint, wir sprechen hier einfach von den verschiedenen Enden eines Prozesses. Als Wissenschaftler interessiert mich zunächst die Genese, die Entstehung und Tradierung des Mythos. Und hier erscheint mir die Verarbeitung echter, historischer Traumata weit schlüssiger als alle Apfel-Liebesmetaphern – übrigens schon deswegen, weil ja auch Juden und Muslime lieben, ohne zur gleichen Fruchtsymbolik gelangt zu sein.

    Davon völlig verschieden ist jedoch die Vielfalt an möglichen Bedeutungen, die ein Mythos (wie andere Phänomene der Evolutionsgeschichte auch) annehmen kann und immer wieder annimmt. Unsere Gehörorgane evolvierten, um die Orientierung und Unterscheidung von Bedrohungen und Chancen zu verbessern. Heute erlauben sie uns, in musikalische Welten einzutauchen, die uns tief zu berühren, ja zu verändern vermögen.

    Dazu bemerkt zum Beispiel Jesus in Mt 13,52: Da sagte er zu ihnen: “Also ist jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger des Reiches geworden ist, das der Himmel regiert, gleich einem Hausherrn, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorholt.”

    So ist es auch im Bezug auf die Genesis-Mythe – und wird es auch weiterhin sein, solange der Mensch mit dieser großen Erzählung ringt und sich von ihr ansprechen lässt.

  5. @ Blume

    “Nun, auch wenn es Sie vielleicht überrascht – da kann und mag ich Ihnen gar nicht widersprechen. Denn mir scheint, wir sprechen hier einfach von den verschiedenen Enden eines Prozesses. Als Wissenschaftler interessiert mich zunächst die Genese, die Entstehung und Tradierung des Mythos.” Ok, damit kann ich leben. Vielleicht haben Sie auch recht. Mir ist schlicht das andere Ende wichtiger als die im Sand vergrabene Tongefäße. Mir geht es mit dem Adam, der Eva (was für eine Braut) und der _Frucht_ (nicht, daß Herr Huhn noch verzweifelt:-) ähnlich, wie mit der Gestalt des Menschensohns –es ist nichts, was in die Geschichte gehört, sondern eine ewige Tatsächlichkeit. (Nietzsche) Mir wäre auch sonst das Wort Gottes zu tot. Und mir gefällt schon, daß es das Lebendige Wort Gottes heißt.

  6. @Dietmar Hilsebein

    Sie schrieben: Mir wäre auch sonst das Wort Gottes zu tot. Und mir gefällt schon, daß es das Lebendige Wort Gottes heißt.

    Dem kann ich nur zustimmen – und daran erinnern, dass Lebendiges immer evolviert: Also auf Bewährtem aufbauend (auch) Neues hervorbringt. Möglicherweise werden unsere Nachfahren einmal Raumschiffe oder Planeten nach Eva, Adam und anderen Akteuren der frühen Mythen benennen und in den Geschichten Zusammenhänge entdecken, die wir uns noch gar nicht vorstellen können. Wenn es einen Gott gibt, so hat Er ggf. wohl Freude daran. 🙂

  7. @ Blume

    “…und in den Geschichten Zusammenhänge entdecken, die wir uns noch gar nicht vorstellen können.”

    Mögen sie dabei den Herrn Nietzsche nicht ganz vergessen:

    “Und hier erst berühre ich das Problem der Psychologie des Erlösers. – Ich bekenne, daß ich wenige Bücher mit solchen Schwierigkeiten lese wie die Evangelien. Diese Schwierigkeiten sind andre als die, an deren Nachweis die gelehrte Neugierde des deutschen Geistes einen ihrer unvergeßlichsten Triumphe gefeiert hat. Die Zeit ist fern, wo auch ich, gleich jedem jungen Gelehrten, mit der klugen Langsamkeit eines raffinierten Philologen das Werk des unvergleichlichen Strauß auskostete. Damals war ich zwanzig Jahre alt: jetzt bin ich zu ernst dafür. Was gehen mich die Widersprüche der “Überlieferung” an? Wie kann man Heiligen-Legenden überhaupt “Überlieferung” nennen! Die Geschichte von Heiligen sind die zweideutigste Literatur, die es überhaupt gibt: auf sie die wissenschaftliche Methode anwenden, wenn sonst keine Urkunden vorliegen, scheint mir von vornherein verurteilt, – bloß gelehrter Müßiggang …”

  8. @ Blume

    Nein. Das ist es auch nicht. Die Kleinschreibung soll nicht Sie kleinschreiben, sondern sich auf die nachfolgende Generation beziehen.

    Es ist nicht so einfach, das geschriebene Wort mit Wohlwollen zu verbinden. Ach! Ich bin müde geworden…

  9. @Dietmar Hilsebein

    Hab ich schon gemerkt, danke! 🙂

    Und wir haben heute ja Urkunden, über das geschriebene Wort hinaus. So erkunden Evolutionsforscher, wann (Zucht-)pflanzen aus der Natur herausgezüchtet wurden, wie und wo sie sich verbreiteten etc. Natur und Kultur sind selbst (auch) zu Texten geworden, in denen wir staunend lesen können. Also: Keine Angst davor, wenn ein Großer Autor dahintersteckt, macht Ihm das sicher Spaß! (Ruhen Sie sich einfach ein wenig aus…) 🙂

  10. @ Blume

    Wissen Sie: das ist alles so wahnsinnig umfangreich. Der Herr erinnert Jona an das Mitgefühl. Bei Hiob steht: ich kannte dich nur vom Hörensagen -jetzt hat mein Auge dich geschaut. Wenn man da mal reinblickt…Es nimmt kein Ende. Je tiefer man gräbt, umso mehr erkennt man dieses Faß, welches kein Ende zu haben scheint.

  11. “wissenschaftliche Methode”

    Was die “wissenschaftliche Methode” anbelangt, sind alle Methoden nur Fußnoten zu Kants K.d.r.V., die gerne auch mal vergessen wird. Es ist nicht die Empirie allein -es bedarf auch einer Theorie. Wir habe heute Apparaturen, die sich manch ein alter Grieche gewünscht hätte. Aber was die Alten an Vorarbeit geleistet haben: ich für meinen Teil kann nur den Hut ziehen.

  12. @Dietmar Hilsebein

    Ja, das sehe ich auch so. Schon die Evolutionsforschung – als immer historisches Unterfangen – wird sich dem realen Geschehen ewig nur annähern, es nie völlig erfassen können. Und um wieviel mehr gilt dies für die Zukunft und die großen Fragen!

    Es ist das Schicksal jedes wirklich wissensdurstigen Menschen, dass er erkennen muss, dass er einem Kinde gleicht, das den Ozean ausschöpfen möchte… Und doch ist Wissenschaft – auch Religionswissenschaft – nicht sinnlos, sondern hat ihren Nutzen, ihre glücklichen Momente und ihre eigene Tragik und Größe. Finde ich.

  13. Vertreibung aus dem Paradis und Baum der Erkenntnis

    Nicht direkt zur Frucht, aber zur Paradiesgeschichte beschreibt Hoimar von Ditfurth in seinem Buch “Der Geist fiel nicht vom Himmel. Die Evolution unseres Bewusstseins.” eine weitere, faszinierende Interpretation:
    Die Vertreibung aus dem Paradies erfolgte durch das Essen vom Baum der Erkenntnis, also mit “dem Erkennen”. Wenn man in die Evolutionsgeschichte schaut, wann die Lebewesen angefangen haben, ihre Umwelt zu erkennen, dann lässt sich in idealisierter Art und Weise ein Schnitt zwischen “Großhirnwesen” und “Zwischenhirnwesen” machen. Wie gesagt, in der Realität gibt es solche klar getrennten Wesen nicht, aber darum geht es hier auch nicht. Ein idealisiertes Zwischenhirnwesen jedenfalls bekommt sein gesamtes Verhalten über die Gene angeboren. Diese Verhaltensprogramme, die auf bestimmte Umweltreize immer mit dem gleichen Verhalten antworten, wurden jeweils in der lange währenden Evolutionsgeschichte durch ein überindividuelles Lernen der Art erworben (“falsches” Verhalten wird wegselektiert) und sind, solange die Umwelt sich nicht ändert, entsprechend perfekt an die Umwelt angepasst. Zwischen der Umwelt und dem Individuum besteht gewissermaßen eine Einheit, die man als paradiesisch auffassen kann.
    Doch die Evolution ging weiter. Vermutlich beginnend mit der Prägung begannen die Lebewesen ein individuelles Lernen zu entwickeln; selbst immer mehr von der Umwelt wahrzunehmen und daraus eigene Schlüsse zu ziehen (meinetwegen auch: Die Signale mussten im Gehirn individuell verarbeitet werden, statt wie ein Programm auf einen bestimmten Reiz immer mit einem bestimmten Verhalten zu reagieren, das sich in vielen Jahren bewährt hat). Mit dieser Erkenntnis der Umwelt und dem Beginn von individuellen Reaktionen, und später auch bewussten Entscheidungen, wurde die vorherige Einheit von Umwelt und Individuum aufgehoben; es kam die Möglichkeit von Fehlentscheidungen/-reaktionen ins Spiel, die für das Individuum verheerende Folgen haben können. Und letztendlich begann damit auch die Möglichkeit zu Entscheidungen wie z.B. für ein Leben gegen die Umwelt oder mit der Umwelt.
    Die Vertreibung aus dem Paradies (theologisch, soweit ich weiß, gedeutet als Trennung von Gott) kommt hier also der Aufhebung der Einheit von Umwelt und Individuum gleich, also ebenfalls einer Trennung, verursacht durch die fortschreitende Erkenntnis.

    Sicherlich ist diese Interpretation aufgrund der vorgenommenen Idealisierungen streitbar. So können auch die angeborenen Verhaltensprogramme längst nicht immer vor dem Tod durch Räuber schützen. Aber sie haben sich offenbar als beste Verteidigungsmaßnahme evolutiv bewährt. Individuelle Reaktionen ermöglichen zwar viel mehr Reaktionsmöglichkeiten, die aber auf keine lange “Tradition” aufbauen können und daher möglicherweise viel öfter daneben liegen.
    Insgesamt finde ich diese Interpretation trotz aller Einwände, die man dagegen erheben kann, einfach ziemlich faszinierend 🙂

  14. Leib und Seele, Mann und Frau -Trennung

    Da ist zum Beispiel eine Frau, die zu einem ersten Rendezvous geht. Sie kennt sehr genau die Absichten, die der Mann, der mit ihr spricht, in bezug auf sie hat. Sie weiß auch, daß sie sich früher oder später irgendwie entscheiden muß. Aber sie will von dem Drängen nichts merken: sie hält sich allein an das, was die Haltung ihres Partners an Respektvollem und Zurückhaltendem sehen läßt. Sie faßt dieses Verhalten nicht als einen Versuch auf, das ins Werk zu setzen, was man «die ersten Annäherungen» nennt, das heißt, sie will die Möglichkeiten zeitlicher Fortentwicklung nicht sehen, die diese Haltung in sich trägt: sie schränkt dieses Benehmen auf das ein, was es in der Gegenwart ist, sie will aus den Worten, die man an sie richtet, nichts anderes heraushören als ihren offenbaren Sinn; wenn man zu ihr sagt: «Ich bewundere Sie so sehr», so nimmt sie diesem Satz seinen sexuellen Hintergrund, sie legt dem Gespräch und dem Benehmen ihres Partners unmittelbare Bedeutung bei, die sie wie objektive Eigenschaften betrachtet. Der Mann, der mit ihr redet, erscheint ihr aufrichtig und respektvoll, so wie der Tisch rund oder viereckig, so wie die Wand blau oder grau gemalt ist. Und die Eigenschaften, die in dieser Weise der Person, der sie zuhört, beigelegt worden sind, erstarren zu einer dinglichen Fortdauer, die nichts anderes ist als die Projektion ihrer strikten Gegenwart auf den zeitlichen Ablauf. Sie weiß also nicht über das Bescheid, was sie wünscht: sie ist zutiefst empfänglich für die Begierde, die sie erregt, aber diese rohe und unverhüllte Begierde würde sie erniedrigen und würde bei ihr Abscheu hervorrufen. Indessen würde sie nichts Reizvolles an einem Respekt finden, der einzig und allein Respekt wäre. Um sie zufriedenzustellen, bedarf es eines Gefühls, das sich ungeteilt an ihre Person wendet, das heißt an ihre vollkommene Freiheit, und das eine Anerkenntnis ihrer Freiheit ist. Aber gleichzeitig muß dieses Gefühl ganz und gar Begierde sein, das heißt, es muß sich an ihren Körper als Gegenstand der Begierde wenden. In unserem Falle weigert sie sich also, die Begierde als das aufzufassen, was sie ist, sie gibt ihr nicht einmal einen Namen, sie erkennt sie nur in dem Maße, in dem die Begierde sich in Richtung auf die Bewunderung, die Hochschätzung, den Respekt transzendiert, so daß sie nur noch als eine Art von Wärme und Verdichtung der Situation erscheint.

    Jetzt kommts…

    Aber jetzt ergreift man ihre Hand. Diese Handlung ihres Gesprächspartners enthält die Gefahr, die Situation zu verändern, indem sie zu einer unmittelbaren Entscheidung aufruft: dem Manne diese Hand überlassen heißt: dem Flirt von sich aus zuzustimmen, sich darin zu engagieren. Sie zurückziehen heißt, die unklare und schwankende Harmonie zu zerstören, die den Reiz der Stunde ausmacht. Es kommt darauf an, den Augenblick der Entscheidung so weit wie möglich hinauszuschieben. Man weiß, was nun geschieht: die junge Frau überläßt ihm ihre Hand, aber sie merkt nicht, daß sie sie ihm überläßt. Sie merkt es nicht, weil es sich zufällig so fügt, daß sie in diesem Augenblick ganz Geist ist. Sie reißt ihren Partner mit fort bis in die höchsten Höhen empfindsamer Spekulation, sie redet vom Leben im allgemeinen, von ihrem Leben im besonderen; sie zeigt sich von ihrer wesenhaften Seite: eine klare bewußte Persönlichkeit.

    Und endlich…

    Und inzwischen vollendet sich die Trennung von Leib und Seele; die Hand ruht regungslos zwischen den warmen Händen ihres Partners: weder zustimmend noch widerstrebend – eine Sache

    (Sartre, Das Sein und das Nichts, Die Verhaltensweisen der Unaufrichtigkeit)

  15. @Sebastian Voß

    Ja, die Paradiesgeschichte (auch) evolutionär zu deuten ist ein sehr ansprechender Gedanke!

    In neueren Formulierungen kenne ich diesen Ansatz z.B. von Michael Dowd (“Thank God for Evolution”) der auf unser evolutionär gewachsenes Gehirn mit seinen “alten” Impulsen verweist und darauf, dass der Preis von Freiheit und Erkenntnis in einem lebenslangen Ringen damit besteht.
    http://www.chronologs.de/…gott-f-r-die-evolution

    Ich möchte gerne hoffen, dass noch mehr Theologinnen und Theologen die Chance(n) erkennen, die in einer auch evolutionären Lesart menschlichen Seins und religiöser Offenbarung liegt.

  16. @Dietmar Hilsebein

    Wow, was für ein faszinierender Text von Sartre – und was für eine interessante Interpretation!

    Noch einmal: Sie haben da alle meine Sympathie und es steht mir als Religionswissenschaftler auch überhaupt nicht zu, Deutungen des Mythos zurück zu weisen.

    Doch fällt mir auf, dass Sexualität in großen Teilen meiner Generation nicht mehr die zentrale Bedeutung zu haben scheint, die ihr noch vor einigen Jahrzehnten zugemessen wurde. Sex als Befreiung, Sex als Schlüssel zu alles und jedem, Leidenschaft als Sünde – dies ist nicht mehr die zentrale Erlebnis- und Denkwelt von Generationen, die von jedem Werbeschild her angenackt werden. Längst ist doch der gesellschaftliche Komment eher so geworden, dass sich jede(r) schuldig fühlen muss, die oder der sich “nicht” voreilig verschenkt, sich nicht auf Bühnen präsentieren will und nicht die Körper-Schablonen anderer zu erfüllen gedenkt.

    Der Paradiesmythos, wie jeder lebendige Mythos, spricht zu den Menschen je nach ihrer Lebenswelt und schließt ihnen Bedeutungen auf, die sie vorher nicht kannten. Bei allem Respekt vor Nietzsche, Sartre & Co., das Leben und Deuten geht weiter, solange die Tradition lebendig ist.

  17. @ Blume

    Ich glaube, da mißverstehen Sie etwas. Sexualität als körperliche Begierde ist eben nur die eine Seite des Gedankens. Was Sartre da anspricht geht tiefer. Es ist nur ein Beispiel: der Körper wird zur Hülle, die Hand in diesem Beispiel wird nicht mehr als zum eigenen Wesen zugehörig empfunden. Psychologen würden wohl von Abspaltung sprechen. Aber sei’s drum: es geht mir gar nicht so sehr darum, Nietzsche, Sartre als _den_ Weg zu postulieren. Soll halt jeder nach seiner Facon selig werden. Nehmen Sie es als das, was es ist: ein Denkanstoß.

  18. Adam & Eva

    Kann man den bibl. Text bzgl. Adam & Eva eigentlich “interpretieren” ohne die ähnlichen Texte der anderen Kulturen im Raum des AT mit einzubeziehen?

    In Kenntnis der möglicherweise als Quellen benutzten Texte verliert die Adam&Eva geschichte so einiges …

    Man könnte fast meinen, die Autoren der Genesis haben die verwendeten Keilschrifttexte nur nicht richtig übersetzen können.

  19. @ Sascha Bohnenkamp

    “Kann man den bibl. Text bzgl. Adam & Eva eigentlich “interpretieren” ohne die ähnlichen Texte der anderen Kulturen im Raum des AT mit einzubeziehen?”

    Ja -kann man.

    Michael Blume: “Der Paradiesmythos, wie jeder lebendige Mythos, spricht zu den Menschen je nach ihrer Lebenswelt und schließt ihnen Bedeutungen auf, die sie vorher nicht kannten.”

  20. @Dietmar Hilsebein

    Mmh egal wie fehlerhaft oder unter welchen Umständen der Text zustandegekommen ist, kann man sich über denselbel beliebig tiefsinnige Gedanken machen?
    Ist das nicht sehr “beliebig”?

  21. @ Sascha Bohnenkamp

    Ist etwas “beliebig” was ansprechend ist? Ist ein Mythos “beliebig”, der zu ihnen spricht, sie nachdenken läßt? Sehen Sie: die “wissenschaftliche Methode” greift nicht, wenn es um die Interpretation eines Mythos geht. Es scheint mir eher eine künstlerische Form zu sein. Die Sinfonie eines Herrn Beethovens erschließt sich Ihnen doch auch nicht deshalb, weil sie wissen, daß sie z.B. mit einem Septakkord beginnt. Oder?

  22. @Sascha Bohnenkamp und Dietmar Hilsebein

    Ich würde als Vermittlung vorschlagen: Wenn man die Interpretation(-sabsicht) der Autoren erfassen will, dann muss man durchaus auch auf die Quellen und ähnlichen Texte im Raum des AT gucken. Aber ein als Mythos geschriebener Text hat eigentlich nie DIE eine Interpretation, sondern kann von jeder Generation wieder neu gedeutet werden. Denke ich. Und ich glaube auch, dass das von den Autoren gutgeheißen werden würde 🙂

  23. @Michael Blume

    Hätte ich fast vergessen: Danke für den Link! Hatte bei Ihnen schon öfter davon gelesen, aber der Blogeintrag war mir noch neu… klingt auf jeden Fall interessant!

  24. Der Sündenfall eine Bildsprache für einen Vorgang, der die Existenz und auch den Menschen selbst tiefgreifend verändert hat. Die einmalige Tat zog allmalige Konsequenzen nach sich. Eva ließ sich von der Schlange verführen und glaubte der Lüge, sie würde wie Gott werden, wenn sie von der Frucht nimmt, obwohl der Mensch schon nach Gottes Ebendbild geschaffen war. Eva glaubte der Schlange mehr als Gott. Gott wurde als unglaubwürdig erachtet. Adam ließ sich von Eva verführen. Er glaubte Eva, einem Menschen, mehr als Gott.

    Jede intakte Beziehung beruht auf Vertrauen. Wer dem anderen nicht mehr glaubt, der zerstört die Beziehung. Und das bringt der Sündenfall zum Ausdruck. Der Mensch vertraute Gott nicht, hielt ihn für einen Lügner und schädigte damit einseitig die Beziehung. Die erste Sünde kam in die Welt. Und zugleich bekam der Mensch die Erkenntnis von Gut und Böse und merkte sofort, daß er von der Schlange getäuscht worden war. Das mußte ihm dann keiner mehr erzählen.

    Die Konsequenz? Der Ackerboden aus dem der Mann geschaffen war wurde verflucht. Unser Dasein, unsere Existenz, unsere Umwelt ist Mühe und Schweiß geworden. Die Strafe der Frau ist eine andere. Sie bringt das neue Leben hervor und wo Leben entsteht da flucht Gott nicht. Auf Leben gibt Gott Segen.

    Na ja, da gäbe es noch viel zu schreiben. Auch was die ackerbodenverfluchte Menschheit nun mit der Sünde macht. Und wenn es so eine Sünder wie Adam gab, der die Weiche in die falsche Richtung stellte, gibt es auch eine Art Antiadam, der die Weiche zu Gott zurückstellen kann?

    Doch was muß ich hier lesen? Von so etwas profanen wie der Neolithische Revolution. Eine technische Neuerung, die großen Einfluß auf die Lebensweise der Menschen hat. Aber technische Neuerungen gibt es zu Hauf. Momentan verändern die Kommunikationstechniken unsere Lebensweise. Das ist doch recht gewöhnlich und kann keine Deutung für den Sündenfall sein. Damit wird die eigentliche Bedeutung nur kastriert und entstellt und entwertet, so daß sie uns nichts mehr zu sagen hat.

  25. Ich möchte gerne hoffen, dass noch mehr Theologinnen und Theologen die Chance(n) erkennen, die in einer auch evolutionären Lesart menschlichen Seins und religiöser Offenbarung liegt.

    Hoffentlich nicht, es gibt schon genug verwirrte Theologen, die dummes Zeug daherquatschen und so die Kirchen leerfegen, weil kein Gott mehr drinnen wohnen kann.

  26. @Dietmar Hilsebein

    “Ist etwas “beliebig” was ansprechend ist? Ist ein Mythos “beliebig”, der zu ihnen spricht, sie nachdenken läßt?”

    Und wenn es mich vor allem darüber nachdenken lässt, warum “er” “sie” aus einer “Rippe” gemacht hat … war das göttlich inspirierte Leseschwäche?

    Da bietet die mesopotamische Vorlage deutlich mehr, warum wird bloss dieses “Plagiat” regelmässig hochgehalten, wo es doch nur eine mittmässige Nacherzählung ist.

    Meinen sie ernsthaft die Adam & Eva Geschichte mit einer Sinfonie von Beethovens vergleichen zu können? Da gibt es sicherlich ansprechendere / anspruchsvollere antike Texte als Genesis. (sei es Homers Ilias, oder Gilgamesh oder Inannas Abstieg in die Unterwelt oder …)

    Ich denke man sieht vielen Texten in der Genesis förmlich an, dass diese mehr oder weniger wahllos aus “fremden” Mythen zusammengeschustert wurden. Gerade die Änderungen, die dabei vorgenommen wurden, sind oft sehr schräg und das fängt schon beim ersten Vers der Genesis an.
    “Am Anfang schuf die Götter die Himmel und Erde” das sieht nicht nur in einer deutschen Übersetzung sehr nach fehlerhafter Grammatik aus, sondern auch im Hebräischen.

  27. @Sebastian Voß

    “Ich würde als Vermittlung vorschlagen: Wenn man die Interpretation(-sabsicht) der Autoren erfassen will, dann muss man durchaus auch auf die Quellen und ähnlichen Texte im Raum des AT gucken. “

    Ich folge da Israel Finkelstein und sehe den Text als Versuch durch eine Propagandaschrift ein religiöse Bindung im jüdischen “Volk” zu schaffen, die in der babylonischen Gefangenschft mit den dort verfügbaren Quellen geschaffen wurde.

    “Aber ein als Mythos geschriebener Text hat eigentlich nie DIE eine Interpretation, sondern kann von jeder Generation wieder neu gedeutet werden. “

    Natürlich 😉
    Erklären sie das allerding mal einem Mitglied der RKK o.ä. … “Häretiker” 😉

    “Denke ich. Und ich glaube auch, dass das von den Autoren gutgeheißen werden würde “

    DA bin ich mir nicht so sicher, der Text ist ja als religiöse Schrift gemacht … und ohne Ursünde macht z.B. das Christentum mit seinem Erlöser keinen Sinn mehr. Genauso erklärt die “Ursünde” ja auch die Frage der Theodizee mit dem “freien Willen” – wenn man das so liest, wenn nicht, ist auch die jüdische Religion ad absurdum geführt. Und DAS wollten die Autoren sicher nicht.

    Wenigstens gab es Äpfel in Mesopotamien, so dass obiger Bilder in diesem Kontext Sinn machen 🙂

  28. @ Sascha Bohnenkamp

    Ich denke, wir gehen von anderen Voraussetzung aus. Ich kenne die anderen/älteren Texte nicht und bin auch keiner anderen Sprache mächtig als der deutschen. Ich entdecke Texte erst, wenn ich in mir eine Empfindung wahrnehme, die mich unruhig macht. Dann erst gehe ich auf die Suche, ob es irgendwo Texte gibt, die diese Empfindung unter Begriffe gebracht hat. Ich gehe also immer von innen nach außen.
    Ich bin kein Gelehrter und will es auch nicht sein!

  29. @Dietmar Hilsebein

    “Ich entdecke Texte erst, wenn ich in mir eine Empfindung wahrnehme, die mich unruhig macht. Dann erst gehe ich auf die Suche, ob es irgendwo Texte gibt, die diese Empfindung unter Begriffe gebracht hat.”
    Deswegen habe ich “damals” angefangen die alten Texte zu lesen, um nicht abhängig von irgendwelchen Übersetzungen zu sein, die immer auch schon interpretativ sind.

    “Ich bin kein Gelehrter und will es auch nicht sein!”
    Ich bin auch kein “echter” Assyrologe – dafür habe ich neben der Arbeit leider nicht genügend Zeit.

  30. @ off topic -oder doch nicht?

    Beethoven…Was würde ich dafür geben, mit dir ein Bier trinken zu gehen.

  31. Nachtrag

    Gebt euch das mal: 7. Sinfonie 2. Satz Quartsextakkord auf die eins. Mir kommen die Tränen. Und doch: ich muß über den Akkord nichts wissen, um mich berühren zu lassen.

  32. Nachtrag

    “euch werde Lohn” -wenn es das gibt- “in besseren Welten” (Beethoven, Fidelio)

    Oh -er schrieb nur eine Oper, aber es war der FIDELIO!

    “Licht aus!” (Helmut Wicht)

  33. “da nimm, da nimm -das Brot, du armer, du armer Mann!” Das nenne ich wahre Eucharistie! Adam&Eva? -man hat mich verstanden!

  34. @Sascha Bohnenkamp

    “Ich folge da Israel Finkelstein und sehe den Text als Versuch durch eine Propagandaschrift ein religiöse Bindung im jüdischen “Volk” zu schaffen, die in der babylonischen Gefangenschft mit den dort verfügbaren Quellen geschaffen wurde.”

    Naja, ich kenne mich mit der Entstehung des Textes leider überhaupt nicht aus, aber wenn wir immer noch über Genesis reden, dann frage ich mich, wieso ausgerechnet diese Geschichte unter den Juden eine besondere religiöse Bindung hervorgerufen haben soll, wo das jüdische Volk hier doch nie explizit erwähnt wird…
    Bei anderen Geschichten im Alten Testament scheint mir das logischer 🙂

    “DA bin ich mir nicht so sicher, der Text ist ja als religiöse Schrift gemacht … und ohne Ursünde macht z.B. das Christentum mit seinem Erlöser keinen Sinn mehr. Genauso erklärt die “Ursünde” ja auch die Frage der Theodizee mit dem “freien Willen” – wenn man das so liest, wenn nicht, ist auch die jüdische Religion ad absurdum geführt. Und DAS wollten die Autoren sicher nicht.”

    Man darf beim Interpretieren solcher Texte natürlich nicht einfach wesentliche Aspekte weglassen 🙂 Der Link, den Michael Blume hier zuletzt an mich empfohlen hat, zeigt z.B. eine neue, evolutionäre Interpretation auch der Ursünde:
    http://www.chronologs.de/…gott-f-r-die-evolution
    (Wie baut man hier solche tollen Links ein…?)
    Für mich persönlich steht der Erlöseraspekt Jesu allerdings gar nicht im Vordergrund, da ich mit irgendeiner Ursünde nicht besonders viel anfangen kann. Aber man muss das Christentum ja nicht unbedingt darauf reduzieren, sondern kann noch viele andere Inspirationen daraus ziehen. Allerdings wird das jetzt wohl zu komplex… zumal ich mir persönlich auch noch überhaupt nicht sicher bin, wodurch ich mich inspirieren lassen möchte usw. usf. 😉

  35. @Sebastian Voß

    “zeigt z.B. eine neue, evolutionäre Interpretation auch der Ursünde:”

    ich bekomme immer ein ungutes Gefühl, wenn man in Texte etwas hineininterpretiert, was die Autoren der Texte gar nicht gemeint haben (können).

  36. @Sascha Bohnenkamp

    Da haben Sie schon Recht… und auch wenn ich bei einem biblisch-mythischen Text schon sagen würde, dass das berechtigterweise möglich ist (zumal es überall so gemacht wird), weiß ich gerade nicht, warum…
    vielleicht weil mythische Texte wie auch Gedichte nicht eine ganz bestimmte Aussageabsicht haben, sondern ihre Wirkung individuell in der Interpretation und der Inspiration des Einzelnen entfalten?
    Fällt mir spontan als erstes ein 🙂

  37. @Sascha & Sebastian

    Dass neue (ggf. unvorhersehbare) Entwicklungen auf alten Strukturen aufbauen, ist Normalfall der Evolution. Waren (auch) wir angelegt, als die ersten Mehrzeller evolvierten?

    Bei Heiligen Texten kommt hinzu, dass die ueber-empirischen Akteure ggf. die Zukunft mitsehend geglaubt werden. Deswegen sind lebendige Mytholgien stets Neues schleifend.

  38. @Michael Blume

    Auch wenn Ihre Frage wahrscheinlich rhetorisch war: Eigentlich müssen wir ja als eine von vielen Möglichkeiten schon in den Mehrzellern angelegt gewesen sein, denn sonst gäbe es uns ja nicht 🙂 Wenn wir die Zeit noch mal zu den ersten Mehrzellern zurückdrehen würden und die Evolution von Neuem starten lassen würden, dann ist es wohl sehr unwahrscheinlich, dass die Evolution genauso ablaufen würde und wieder der Mensch heute hier stehen würde. Aber man darf vermuten, dass über kurz oder lang wieder intelligentes, bewusstes Leben entstehen würde… und warum sich in der Evolution immer wieder alles weiter und nach unseren Maßstäben höher entwickelt, scheint mir ein großes und spannendes Rätsel zu sein.

    Ich denke, ob man daran glaubt, dass die biblischen Texte auch die Zukunft schleifen, hängt auch davon ab, ob man glaubt, dass die Bibel Gottes tatsächliches Wort ist (was außer Fundamentalisten wohl niemand mehr tut), oder dass die Bibel ein Werk ist, dessen Autoren von Gott inspiriert wurden, die aber eine solche Inspiration auch nur im Kontext ihres kulturell-biographischen Hintergrunds wiedergeben konnten, oder ob man die Bibel schlicht für eine politische Schrift unter Berufung auf Gott bzw. Jahwe hält.
    Und wenn man glaubt, dass die biblischen Texte durch Gottes Inspiration entstanden sind, dann hängt das auch wieder mit einem persönlichen Gottesbild zusammen: Glaubt man z.B., dass Gott die Zukunft vorhersehen kann?
    Religion bzw. vor allem der eigene Glaube ist wohl immer etwas sehr Persönliches, was die Diskussion über religiöse Inhalte teilweise schwierig, aber auch sehr interessant macht 🙂

  39. @Sebastian Voß

    Ja, ich denke, Sie haben die wesentlichen Optionen sehr gut erfasst! Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass der Fundamentalismus eine Bewegung innerhalb der Moderne war – wogegen z.B. schon ein Augustinus vor einer (verkürzt) naturwissenschaftlichen Lesart der Bibel warnte. Auch heutige Theologen sehen das so, wie auch der aktuelle Post von Theologe (ev.) Hermann Aichele zur “Jungfrau Maria” betont.
    Hinter-Gründe – Die Sache mit der Jungfrau Maria

  40. @blume

    “…wogegen z.B. schon ein Augustinus vor einer (verkürzt) naturwissenschaftlichen Lesart der Bibel warnte.”
    und das sagte er nicht nur, weil er um die “Glaubwürdigkeit” des Textes fürchtete?

    Augustinus war ja nicht unbedingt neutral.

  41. @Sascha

    Für den Monotheisten ist ja gerade auch die Realität Zeeichen Gottes. Diese abschliessend in eine bestimmte Textinterpretation sperren zu wollen ist daher eine dumpfe Theologie weit unter dem Niveau von Augustinus. Was für die antike Welt und gegen den modernen Fundamentalismus spricht.

  42. @Blume

    “…ist daher eine dumpfe Theologie weit unter dem Niveau von Augustinus…”
    mag sein, obwohl anderes was er gesagt/geschrieben haben soll schon sehr “dumpf” kling:

    In seiner Kampfschrift Gegen die Juden griff Augustinus die Juden sowohl in ihrer Lebensführung wie auch theologisch an. Für Augustinus waren Juden bösartig, wild und grausam … „Sünder“, „Mörder“, … „eine triefäugige Schar“, „aufgerührter Schmutz“.

    Als erster Theologe legt er auch den Juden seiner Zeit Jesu Tod zur Last, was wieder ihre ewige Knechtschaft bedinge, ihre perpetua servitus. 1205 wird dieser Gedanke von Papst Innozenz III. aufgenommen und geht 1234 in die Dekretensammlung Gregors IX. ein.

    usw. *bäh*

  43. @Sascha Bohnenkamp

    Schade, dass Sie einen bis hierhin guten Austausch nun plötzlich mit der üblichen Polemik beenden müssen. Dabei war doch das Argument gerade, dass schon Augustinus – als Mann seiner Zeit – keine naturwissenschaftliche Lesart der Bibel vertreten hatte. Irrtumslos war kaum ein Mensch der Weltgeschichte – übrigens auch nicht ohne Religion(en). Vgl. z.B. den “Triumph des Atheismus” in Nordkorea:
    http://www.chronologs.de/…heismus-und-die-folgen

    Usw. *Seufz*

  44. Apfel-Interview

    Das Interview zu Äpfeln an Weihnachten ist jetzt eingestellt und als mp3 hör- und abrufbar.

    Allen Leserinnen und Lesern, Hörerinnen und Hörern wünsche ich schöne Festtage! Mit mindestens einem knackigen Apfel!

  45. @ Blume

    “Allen Leserinnen und Lesern, Hörerinnen und Hörern wünsche ich schöne Festtage! Mit mindestens einem knackigen Apfel!”

    Schön wär’s. Ich mache es wie der Florian Freistetter: ich verdunkle das Zimmer und schau finster die Wand an! Egal -frohe Weihnachten.

  46. Dietmar Hilsebein

    Oh, das tut mir Leid zu hören. (Auch) hier auf NdG sind Sie auf jeden Fall stets willkommen – der Bildschirm als Zugang zu einer “Wand”, die versucht, menschlich zu antworten…

  47. Nachtrag Fidelio

    “‘euch werde Lohn’ -wenn es das gibt- ‘in besseren Welten’ (Beethoven, Fidelio)”

    “Vater…Oh glaubt nicht, daß ich nur des Lohnes wegen…Still! Meinst du, ich könne dir nicht ins Herz sehen?” (immer noch Fidelio)

  48. @ Blume

    Hoffentlich erlauben Sie mir das noch:
    Muß ich erwähnen, daß der Kerker im Fidelio eine Metapher ist? Nietzsche sieht es:

    “Willst du, mein Bruder, in die Vereinsamung gehen? Willst du den Weg zu dir selber suchen? Zaudere noch ein Wenig und höre mich.

    “Wer sucht, der geht leicht selber verloren. Alle Vereinsamung ist Schuld”: also spricht die Heerde. Und du gehörtest lange zur Heerde.

    Die Stimme der Heerde wird auch in dir noch tönen. Und wenn du sagen wirst “ich habe nicht mehr Ein Gewissen mit euch”, so wird es eine Klage und ein Schmerz sein.

    Siehe, diesen Schmerz selber gebar noch das Eine Gewissen: und dieses Gewissens letzter Schimmer glüht noch auf deiner Trübsal.

    Aber du willst den Weg deiner Trübsal gehen, welches ist der Weg zu dir selber? So zeige mir dein Recht und deine Kraft dazu!

    Bist du eine neue Kraft und ein neues Recht? Eine erste Bewegung? Ein aus sich rollendes Rad? Kannst du auch Sterne zwingen, dass sie um dich sich drehen?

    Ach, es giebt so viel Lüsternheit nach Höhe! Es giebt so viel Krämpfe der Ehrgeizigen! Zeige mir, dass du keiner der Lüsternen und Ehrgeizigen bist!

    Ach, es giebt so viel grosse Gedanken, die thun nicht mehr als ein Blasebalg: sie blasen auf und machen leerer.

    Frei nennst du dich? Deinen herrschenden Gedanken will ich hören und nicht, dass du einem Joche entronnen bist.

    Bist du ein Solcher, der einem Joche entrinnen durfte ? Es giebt Manchen, der seinen letzten Werth wegwarf, als er seine Dienstbarkeit wegwarf.

    Frei wovon? Was schiert das Zarathustra! Hell aber soll mir dein Auge künden: frei wozu ?

    Kannst du dir selber dein Böses und dein Gutes geben und deinen Willen über dich aufhängen wie ein Gesetz? Kannst du dir selber Richter sein und Rächer deines Gesetzes?

    Furchtbar ist das Alleinsein mit dem Richter und Rächer des eignen Gesetzes. Also wird ein Stern hinausgeworfen in den öden Raum und in den eisigen Athem des Alleinseins.

    Heute noch leidest du an den Vielen, du Einer: heute noch hast du deinen Muth ganz und deine Hoffnungen.

    Aber einst wird dich die Einsamkeit müde machen, einst wird dein Stolz sich krümmen und dein Muth knirschen. Schreien wirst du einst “ich bin allein!”

    Einst wirst du dein Hohes nicht mehr sehn und dein Niedriges allzunahe; dein Erhabnes selbst wird dich fürchten machen wie ein Gespenst. Schreien wirst du einst: “Alles ist falsch!”

    Es giebt Gefühle, die den Einsamen tödten wollen; gelingt es ihnen nicht, nun, so müssen sie selber sterben! Aber vermagst du das, Mörder zu sein?

    Kennst du, mein Bruder, schon das Wort “Verachtung”? Und die Qual deiner Gerechtigkeit, Solchen gerecht zu sein, die dich verachten?

    Du zwingst Viele, über dich umzulernen; das rechnen sie dir hart an. Du kamst ihnen nahe und giengst doch vorüber: das verzeihen sie dir niemals.

    Du gehst über sie hinaus: aber je höher du steigst, um so kleiner sieht dich das Auge des Neides. Am meisten aber wird der Fliegende gehasst.

    “Wie wolltet ihr gegen mich gerecht sein! – musst du sprechen – ich erwähle mir eure Ungerechtigkeit als den mir zugemessnen Theil.”

    Ungerechtigkeit und Schmutz werfen sie nach dem Einsamen: aber, mein Bruder, wenn du ein Stern sein willst, so musst du ihnen desshalb nicht weniger leuchten!

    Und hüte dich vor den Guten und Gerechten! Sie kreuzigen gerne Die, welche sich ihre eigne Tugend erfinden, – sie hassen den Einsamen.

    Hüte dich auch vor der heiligen Einfalt! Alles ist ihr unheilig, was nicht einfältig ist; sie spielt auch gerne mit dem Feuer – der Scheiterhaufen.

    Und hüte dich auch vor den Anfällen deiner Liebe! Zu schnell streckt der Einsame Dem die Hand entgegen, der ihm begegnet.

    Manchem Menschen darfst du nicht die Hand geben, sondern nur die Tatze: und ich will, dass deine Tatze auch Krallen habe.

    Aber der schlimmste Feind, dem du begegnen kannst, wirst du immer dir selber sein; du selber lauerst dir auf in Höhlen und Wäldern.

    Einsamer, du gehst den Weg zu dir selber! Und an dir selber fuhrt dein Weg vorbei und an deinen sieben Teufeln!

    Ketzer wirst du dir selber sein und Hexe und Wahrsager und Narr und Zweifler und Unheiliger und Bösewicht.

    Verbrennen musst du dich wollen in deiner eignen Flamme: wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist!

    Einsamer, du gehst den Weg des Schaffenden: einen Gott willst du dir schaffen aus deinen sieben Teufeln!

    Einsamer, du gehst den Weg des Liebenden: dich selbst liebst du und desshalb verachtest du dich, wie nur Liebende verachten.

    Schaffen will der Liebende, weil er verachtet! Was weiss Der von Liebe, der nicht gerade verachten musste, was er liebte!

    Mit deiner Liebe gehe in deine Vereinsamung und mit deinem Schaffen, mein Bruder; und spät erst wird die Gerechtigkeit dir nachhinken.

    Mit meinen Thränen gehe in deine Vereinsamung, mein Bruder. Ich liebe Den, der über sich selber hinaus schaffen will und so zu Grunde geht. –

    Also sprach Zarathustra.

  49. Nachtrag

    Marzelline und Jaquino sind Vorboten der Leonore und des Floristans. Jaquino ist gefangen in der Triebnatur -er bedrängt Marzelline. Marzelline muß erst zur Leonore/Fidelio werden, so, wie Jaquino zu Floristan werden muß. Es sind verschiedene Bewußtseinsebenen. Und hier schließt sich auch der Kreis zu Adam und Eva. Es fehlte ihn an Reife. Es errieten zwei Tiere einander.

  50. Paradiesgeschichte

    “Denn immer mehr heutige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten es für wahrscheinlich, dass sich hinter der Paradiesgeschichte die Erinnerung an einen grundlegenden Umsturz verbirgt – den Übergang zum Ackerbau, die Neolithische Revolution.”
    Interessant, es ist aber schon klar, dass diese Deutung nur funktioniert, wenn man die vermutlich benutzten älteren Texte ignoriert, oder?
    In dem Sumerischen Mythos kann schwerlich die Neolithische Revolution reindichten ..
    Wie wäre es, wenn man sich mal “qualifiziert” die alten Texte genauer ansieht?
    Die Rollen von Mann und Frau sind nämlich im Vergleich des Sumerischen und des Biblischen Mythos vertauscht … und das die Sumerer damit den Begin des Matriarchat verarbeiten wollten, glaubt wohl niemand, oder?

    Eine Übersetzung des Sumerischen Mythos ist auch von qualifizierter Stelle im Internet auf englisch verfügbar:
    http://etcsl.orinst.ox.ac.uk/…1.1&charenc=j#
    (Faculty of Oriental Studies, University of Oxford)

  51. @Sascha B.

    wie genau begründen Sie Ihre Überzeugung, dass die biblische Narration direkt der Sumerischen entstammte? Die Unterschiede sind massiv und mir erschiene es allenfalls als schlüssig, dass regionale Themen in verschiedenen – sich ggf. befruchtenden – Varianten tradiert wurden. Was die Faszination solcher Ur-Themen, wie z.B. der Sintflut – ja nur unterstreicht.

  52. @Blume

    “Schade, dass Sie einen bis hierhin guten Austausch nun plötzlich mit der üblichen Polemik beenden müssen.”
    Gar nicht .. ich fand nur die Aussage, dass diese oder jene Aussage für einen Augustinus zu flach gewesen wäre, nicht stimmt. Auch dieser Augustinus hat durchaus wenig sinnvolles von sich gegeben.

    Oder sind solche Aussagen “Polemik”, weil man sie als Gläubiger nur ungerne hört?
    Oder habe ich mir diese Aussagen ausgedacht?

    Ich denke es ist nicht unereheblich was ein Redner/Autor noch so gesagt hat.

    Meine Vermutung war ja, dass eine wissenschaftliche Deutung der bibl. Texte deswegen vermieden werden sollte, da eine soche Sicht ggf. die Glaubwürdigkeit der “heiligen” Texte gefährden könnte.

  53. Nachtrag Eucharistie

    Muß ich erwähnen, daß das Brot eine Metapher für die weibliche Hingabe an den Mann ist und der Wein die männliche Hingabe an die Frau? R.Wagner sieht es: “Zum letzten Liebesmahle -gerüstet Tag für Tag.”

    (R.Wagner, Parsifal, 1.Akt)

    Muß ich erwähnen, daß der Gral nicht in französischen Burgruinen zu finden ist, die Blaue Blume nicht im Wald, der Dornenbusch nicht auf Bergeshöhn, Christus nicht in der Geschichte?

  54. @Sascha Bohnekamp

    Wahrscheinlich gibt es keinen Menschen und schon gar keinen Wissenschaftler bzw. Gelehrten, der zu allen Themen immer nur Richtiges erkannt und geschrieben hat: Nicht Augustinus, nicht Luther, nicht Newton, nicht Marx, nicht Einstein etc.

    Wenn wir also darüber diskutieren würden, ob Marx die Vor- und Nachteile des Kapitalismus richtig erfasst hat, so würde ich nicht plötzlich davon anfangen, was er z.B. über Juden oder Darwin geschrieben oder mit einer Angestellten gehabt hat. Das wäre polemischer Unfug, ganz egal, wie wir jeweils zu Marx stehen.

    Bereits Augustinus erkannte, dass sich die Bibel nicht als naturwissenschaftliches Lehrbuch lesen lässt. Darauf wies ich im Hinblick auf das neuzeitlich-fundamentalistische Bestehen auf wörtlichen Lesarten hin – und Sie dürfen zugleich sicher sein, dass ich in sehr vielen anderen Punkten überhaupt nicht Augustinus’ Meinung war und bin, zumal er sie – etwa in der Diskussion von Willensfreiheit – durchaus auch ein paarmal veränderte. 😉

  55. @ Hilsebein

    “Wie man da auf den Mumpitz von Landwirtschaft kommen kann, ist mir ein Rätsel!”
    Tja, Wissenschaftler ziehen eben knallharte Fakten religiösen Schnörkeln vor. Der Garten Eden ist ein historischer Ort, dessen Lage in der Genesis konkret beschrieben wird. Und wie die Archäologie festgestellt hat, fand der Übergang vom Jäger und Sammler zum Landwirten in diesem Gebiet im fruchtbaren Halbmond statt. Da kann dein Liebe-Begehren-Seele-Geschwurbel nicht mithalten. Vorher lebten die Menschen von dem was sie fingen und fanden, hinterher müssen sie für ihr Essen hart arbeiten. Adam und Eva gehen die Augen auf und müssen jenseits von Eden ein mühseliges Dasein fristen. Es bedarf immenser geistiger Verrenkungen, um das zu übersehen.

  56. @ Sascha Bohnenkamp

    “ich bekomme immer ein ungutes Gefühl, wenn man in Texte etwas hineininterpretiert, was die Autoren der Texte gar nicht gemeint haben (können).”
    Und jetzt die Preisfrage: Was können sie denn gemeint haben, wenn nicht die Neolithische Revolution? Ich sehe das so, dass sowohl die Schöpfungsgeschichte als auch die Paradiesgeschichte von den Nachkommen der Menschen, bei denen sich dieser Wandel zuerst vollzog (also Adam und Eva), stammen. Ganz original. Wenn schon, haben die “anderen Kulturen” vom AT geklaut, aber vielleicht haben die Texte auch gar nichts miteinander zu tun. All das Gerede, dass die Texte des AT von älteren Kulturen geklaut wurden und erst viel später zu Papier gebracht wurden, und dass das alles “symbolisch” zu verstehen sei, ist ein Relikt aus der Zeit der historisch-kritischen Forschung. Damals wusste man noch nichts von Mesopotamien als Wiege der Zivilisation und wusste nicht, wo man die Texte hinstecken sollte. Mittlerweile sind wir weiter und wissen von der Neolithischen Revolution im Nahen Osten. Und können die überholten Ansichten über das AT als “zusammengeschustertes Werk” und “bildliche Metaphern” guten Gewissens über Bord werfen. Umso bestürzender ist die Tatsache, dass es diese verzweifelten Versuche, das AT seiner historischen Bedeutung zu berauben und es stattdessen als “metaphorisches Märchenbuch” hinzustellen, immer noch gibt. Das ist 19. Jahrhundert, längst überholt und immer noch wird es ganz selbstverständlich geglaubt! Anscheinend haben viele ein Problem damit, dass die biblische Realität ganz anders aussieht als das kindlich-klischeehafte Bibelschema der Gesellschaft und dass es um ganz profane, weltliche Ereignisse geht. Weil nicht sein kann was nicht sein darf, können die biblischen Erzählungne ja keine realen Geschehnisse wiedergeben, denn die Bibel muss ja ein “Glaubensbuch” sein. Aber wer legt das fest und vor allem mit welchem Recht?

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